«Lea, wie läuft eine Sexualberatung bei dir so ab?»

Gute Frage! Und wenn wir gerade bei den Fragen sind… Ich höre in den Beratungen immer wieder Sätze wie «Lea, du stellst so gute Fragen». Oder letztens hat mir ein Paar nach ihrer Schlusssitzung gesagt: «Wie wäre es, wenn wir jedes Jahr ein, zwei Stunden zu dir in die Sexualberatung kämen? So zum Dranbleiben… Wir können gut miteinander über die Themen sprechen – aber es ist einfach so wertvoll, eine Person zu haben, die die richtigen und wichtigen Fragen stellt».

Und ja, das verstehe ich unter anderem als eine ganz wichtige Aufgabe von mir: Ich stelle euch Fragen. Und im Idealfall werden sie von euch als «gute Fragen» oder als die «richtigen und wichtigen Fragen» wahrgenommen.

Gut – deine Aufgabe ist es unter anderem, Fragen zu stellen… Aber wie läuft es denn jetzt ab bei dir?

In der Erstsitzung, die ihr als Einzelperson oder als Paar besucht, geht es darum, dass ich euch – jetzt kommt es wieder – ganz viele Fragen stelle ;-). Es geht darum, deine oder eure Situation zu verstehen. Also, dass ich sie verstehe – und auch du. Wenn wir verstehen, wieso dass deine bzw. eure Situation Sinn macht (es gibt immer eine Logik hinter jeder Situation!), formulieren wir gemeinsam das Ziel für deine oder eure Reise. Möglichst konkret. So dass wir alle das gleiche darunter verstehen. Und ja, Ziele können sich verändern – wir checken während der Reise auch immer wieder ein, wo du bzw. ihr steht und ob das Ziel gleichbleibt oder angepasst wird.

Das passiert alles meistens in der ersten Sitzung – manchmal braucht es dafür auch zwei Sitzungen. Gerade auch das Formulieren des Ziels, deines oder eures Wunsches, ist ein wichtiger Schritt im Prozess.

Nach der ersten Sexualberatung entscheidest du oder entscheidet ihr, ob du oder ihr die Reise antrittst bzw. antretet.

Und dann schauen wir von Sexualberatung zu Sexualberatung, welches die nächsten Schritte sind, die dich oder euch zum Ziel führen. Es ist ein Projekt, eine Reise – für dich. Für euch. Zu dir. Zu euch.  

Und ich bin die, die den Raum so für dich oder euch hält, dass dieser Weg mit Lust, Wissen und ganz vielen neuen Erfahrungen und Erlebnissen gegangen werden kann.  Denn:

Die Erlebnisse mit dir und deinem Körper sind es, die Veränderung bringen.

Sexualität ist erlernt – und lernbar! Und lernen tun wir in der Sexualität über unseren Körper. Deshalb ist es für mich in der Sexualberatung so wichtig zu erfragen, was dein Körper schon gelernt hat – was ihn z.B. erregt, was schon Genuss bereitet. Und so kann ich erkennen, welche Lernschritte es braucht, um beim formulierten Ziel anzukommen. Und die Lernschritte macht ihr teilweise bereits in der Sexualberatung – grösstenteils aber vor allem zwischen den Beratungen. Und zwar mit konkreten Aufgaben. Und das wird immer wieder sehr geschätzt: «Es ist so cool, dass du uns nicht gehen lässt, bevor wir einen konkreten Plan haben, was wir bis zur nächsten Sexualberatung Zuhause machen». Und das ist mir auch so wichtig, denn: Die Erlebnisse mit dir und deinem Körper sind es, die Veränderung bringen. Und nur wenn die Aufgaben genug konkret sind, an euren aktuellen Fähigkeiten anknüpfen und auf ihr Ziel ausgerichtet sind, könnt ihr den Sinn der Aufgaben sehen und dranbleiben. Und je mehr ihr dranbleibt, desto mehr kann sich auch verändern!

Und wie sehen denn solche Aufgaben aus, fragst du dich jetzt vielleicht?
Ganz unterschiedlich!

Sexualberatung: Erklärt an einem Beispiel

Damit es verständlicher wird, möchte ich hier ein Beispiel bringen. Stell dir vor: Du hast den Wunsch und das Ziel, den Paarsex mehr geniessen zu können. Bei der Evaluation merken wir, dass dein Körper beim Sex mit dir selbst erlernt hat, durch Körperspannung und einem vibrierenden Sex-Toy die sexuelle Erregung zu steigern und zum Höhepunkt zu kommen. Weiter zeigt sich, dass dir beim Solosex vor allem der Orgasmus und die Zeit danach Genuss bereitet. Bei der Evaluation des Paarsexes zeigt sich, dass du beim Paarsex das Küssen sehr geniessen kannst, es jedoch ein kleiner Teil des Paarsexes ausmacht und du die Erregung nicht steigern und somit auch keinen Orgasmus erleben kannst. Du lernst in der Beratung, dass dein Körper Spannung, Vibration an der Klitoris und Küssen als erregend erlernt hat – Spannung kannst du während dem Paarsex aufgrund von anderen Stellungen nicht gleichermassen halten, ein Toy möchtest du beim Paarsex nicht verwenden und mehr Küssen möchte dein Partner nicht. Im Gespräch finden wir heraus, dass du dir vorstellen könntest, statt mit einem Toy die Klitoris während des Paarsexes mit den Händen zu stimulieren. Berührungen an der Vulva mit deinen Händen kennst du bereits. Du ölst nach dem Duschen regelmässig deine Vulva und findest das auch sehr angenehm. Du erinnerst dich auch daran, dass du dich vor dem Kauf des ersten Sex-Toys mit den Händen an der Klitoris berührt und stimuliert hast.

Auch wenn dieses Beispiel hier nicht in seiner ganzen Komplexität gezeigt werden kann, sehe ich als Sexologin ganz viele Aufgaben und somit Lernschritte, die gemacht werden könnten. Dein Ausgangspunkt und deine Ausführungen zeigen mir, wo du einerseits Neugier entwickeln könntest (wecken von Neugier ist auch ganz wichtig in meiner Beratung!) und was sich mit deiner Ausgangslage und deinem Ziel als nächster Lernschritt anbietet. Wichtig könnte z.B. sein, dass längerfristig Berührungen mit den Fingern an der Klitoris den Vibrator beim Solosex ablösen können. Damit diese Berührungen dann auch im Paarsex als erregend und lustvoll erlebt werden können – was den Genuss steigert und wenn entsprechend erlernt, auch zum Orgasmus beim Paarsex führen kann. In weiteren Schritten kann beispielsweise auch mit Bewegungen des ganzen Körpers und insbesondere des Beckens exploriert werden, weil dies unter anderem die Durchblutung des Genitals fördert und macht, dass du es mehr und tendenziell genussvoller spüren kannst.
Eine Aufgabe für Zuhause und zwischen zwei Sexualberatungen, zum Beispiel im Abstand von drei Wochen, könnten hier zum Beispiel lauten: Zwei Mal pro Woche hast du Solosex und ölst deine Vulva zuerst ein, explorierst, was sich genussvoll anfühlt. Danach nutzt du dein Sextoy nicht durchgehend, sondern explorierst immer wieder phasenweise mit der Hand, bevor du wieder zum Toy greifst.
Und du fragst dich, wieso denn überhaupt noch das Toy verwenden, wenn ich doch Fingerberührungen als erregend erlernen möchte? Du gehst den Weg zu deinem Ziel Schritt für Schritt. Lernen verläuft in Schritten. Und das, was dein Körper erlernt hat, sehe ich immer als wichtige Ressource (im Beispiel ist die Erregbarkeit durch den Vibrator deine Ressource). Und diese Ressource nutzt du, um davon ausgehend Neues zu lernen – und nicht, indem du die wertvolle Ressource einfach weglässt.

Was mir beim Verstehen deiner bzw. eurer Situation und dem Eruieren der nötigen Lernschritte bis zu deinem bzw. eurem Ziel hilft: Sexocorporel

Sexo-was? Sexocorporel ist ein sexologisches und sexualberaterisches Konzept, das den Körper, Emotionen, Gedanken und Handeln als eine Einheit versteht. Wenn ein Aspekt verändert wird, hat dies auch einen Einfluss auf die anderen Aspekte. Verändere ich beispielsweise etwas bei meinem Körper (zum Beispiel mehr Bewegung und weniger Körperspannung beim Sex) macht das etwas mit unseren Emotionen, Gedanken – und umgekehrt. So können zum Beispiel neue körperliche Lernschritte dazu führen, dass du beim Sex weniger bei der Einkaufsliste, sondern im Hier und Jetzt bist – und du den Sex so richtig geniessen kannst. So wird der Sex zu einem Erlebnis, wo dein Hirn danach sagt «Doch, das hat sich gelohnt! Das möchte ich wieder haben!».
Ich bin so überzeugt vom Konzept Sexocorporel, weil es den Menschen als unteilbares Ganzes versteht, von den Ressourcen eines Menschen ausgeht und darauf basiert, dass Sexualität erlernt ist (und dies beginnt bereits in frühester Kindheit) und somit lernbar (lebenslang!).

Ah, und deshalb heisst es bei mir übrigens auch nicht Sexualtherapie, sondern Sexualberatung. Bei mir wird niemand therapiert – weil niemand krank ist. Auch du nicht. Du hast lediglich noch nicht das gelernt, was du dir wünschst. Wenn du noch mehr darüber erfahren möchtest, wieso ich von Sexualberatung und nicht von Sexualtherapie spreche, geht’s hier lang.

Ansonsten freu ich mich, mit dir auf Reisen zu gehen – mit konkretem Plan und lustvollen Schritten (ja! Genauso wie Sexualberatung sich schwer anfühlen darf, darf sie sich auch freudig, leicht und lustvoll anfühlen – sehr gern sogar!).

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